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Interdisziplinäre Konferenz und Forschung zum Globalen Süden

Vom 27.-29.05.2015 fand an der Universität zu Köln die offizielle Eröffnungskonferenz „Transformations in the Global South“ des Global South Studies Center Cologne (GSSC) mit über 80 renommierten WissenschaftlerInnen aus dem In- und Ausland statt. 

Das GSSC wurde 2014 im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern an der Universität zu Köln gegründet. Das Zentrum führt WissenschaftlerInnen zusammen, die sich mit den sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Veränderungen im Globalen Süden beschäftigen. Insbesondere bündelt das GSSC die an der Universität zu Köln vorhandenen Forschungskompetenzen zu Afrika, Asien und Lateinamerika. Darüber hinaus fördert es die Zusammenarbeit mit renommierten WissenschaftlerInnen aus dem In- und Ausland. Neben der Geographie sind vor allem die Fachbereiche Ethnologie, Afrikanistik, Geschichte, Soziolinguistik, Medienwissenschaften, Regionalstudien, Romanische Philologie, Islamwissenschaften und Chinastudien im GSSC vertreten. Zu den wesentlichen Anliegen des GSSC gehört es, interdisziplinäre Wissenschaftsprojekte zu fördern, neue Forschungsvorhaben zu initiieren, den wissenschaftlichen Austausch zu intensivieren sowie ein unterstützendes akademisches Umfeld für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu schaffen. Für GeographInnen von besonderem Interesse sind unter anderem drei Themenbereiche der Konferenz, die auch in den nächsten Jahren in Aktivitäten und Publikationen des GSSC weiterverfolgt werden. 

Hierzu gehörte die von Prof. Dr. Sandra Kurfürst und Prof. Dr. Peter Dannenberg (beide Uni Köln) moderierte Themensession „The Urban Green Debate: bridging insights from the Global South and North“ in der die Potentiale und Herausforderungen urbaner Grünflächen (z.B. Landwirtschaft, Parks und Brachflächen) in Nord und Süd betrachtet und konzeptionelle Zugänge kritisch diskutiert wurden. Nach einem Einführungsvortrag von Peter Dannenberg und Alexander Follmann (Köln), der auch eine Ausblick auf deren zukünftige Projektarbeiten bot, präsentierte Prof. Dr. Andrew Newman (Anthropologe an der Wayne State University Detroit) eine Studie zu „Nature’s infrastructure: Urban Biodiversity and the Production of Space in the Global North and South“, in der er die Bedeutung von biodiversitätsorientierten Planungsprozessen in der Stadtentwicklung u.a. am Beispiel von Paris herausstellte. Natalie Marie Gulsrud (Stadtplanerin von der Universität Kopenhagen) analysierte in ihrem Vortrag „Manufacturing Green Consensus“ am Beispiel Singapurs, inwiefern das Label einer „Green City“ Planungsaktivitäten einer Stadt beeinflussen kann. Den vierten Vortrag steuerte Professor Dr. Frédéric Landy (Geograph an der Universität Paris Ouest-Nanterre) zum Thema „Four national parks in megacities (Mumbai, Rio, Cape Town, Nairobi): where vertical globalization meets horizontal urbanization“ bei. Hierbei diskutierte er wie sich Nationalparks innerhalb urbaner Settings im globalen Süden gestalten lassen. Den Abschluss bildete eine Diskussion der Vorträge, die zunächst durch den Diskutanten Prof. Dr. Ciraj Rassool (Historiker an der University of the Western Cape in Südafrika) eingeleitet und dann im Plenum weitergeführt wurde.

Die von Prof. Dr. Javier Revilla Diez (Uni Köln) moderierte Session „Institutions and Commodity Chains“ ging der Frage nach, welche Rolle Institutionen für technologische und organisatorische Aufwertungsprozesse in globalen Wertschöpfungsketten spielen. Prof. Dr. Andrés Rodriguez-Pose, Professor für Wirtschaftsgeographie an der London School of Economics stellte in seinem Vortrag „The territorial dynamics of innovation in emerging countries“ regionale Innovationsprozesse in China, Indien und Mexiko vor und hielt aufbauend auf den Ergebnissen ein Plädoyer für eine kontextorientierte Regionalpolitik, die an den spezifischen lokalen Bedingungen ansetzt. Auch PD Dr. Daniel Schiller vom Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung betonte in seinem Vortrag „Institutions and upgrading in global value chains: empirical findings from the Pearl River Delta, China” die besondere Bedeutung von lokalen Bedingungen für regionale Aufwertungsprozesse. Auf der Grundlage von Unternehmensbefragungen und Experteninterviews im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogrammes „Megacities - Megachallenge: Informal Dynamics of Global Change“ zeigte Schiller, wie stark lokale institutionelle Rahmenbedingungen Aufwertungsprozesse in globalen Wertschöpfungsketten beeinflussen. Wie schwierig es ist, traditionelle Regelsysteme zu verändern, konnte Prof. Dr. Sara Besky (Anthropologin an der University of Michigan) in ihrem Vortrag „On the Changing Composition of Price in Kolkata’s Tea Auction“ eindrucksvoll belegen. Die Umstellung der über 150 Jahre alten, auf face-to-face-Interaktionen basierenden Auktionspraxis auf eine moderne computergestützte und anonymisierte Plattform, die einen effizienteren Handel und Termingeschäfte erlauben sollte, scheiterte am Widerstand der lokalen Händler. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Vorträgen, die stärker auf die lokalen Gegebenheiten eingingen, stellte Dr. Tijo Salverda vom GSSC in seinem Vortrag „Advocating change: external pressure and agricultural investment“ sein künftiges Forschungsprojekt vor. Salverda beabsichtigt, den Einfluss von Nichtregierungsorganisationen und Konsumenten auf Geschäftspraktiken von multinationalen Unternehmen und Fonds in der Landwirtschaft Afrikas zu untersuchen. 

Die Roundtable-Plenarsitzung II diskutierte schließlich „Economic Thoughts and Practices Seen from the Global South”, moderiert von  Prof. Dr. Martina Fuchs (Uni Köln). In das Thema der Theoriebildung und Praktiken aus Sicht "des Südens" führte Prof. Dr. Supriya Singh (RMIT Melbourne) mit der Thematisierung der interkulturell unterschiedlichen Bedeutung von Geld als Tauschmittel innerhalb von Familien ein. Prof. Dr. Gerardo H. Damonte (PUCP, Peru) betonte, dass das Selbstverständnis vieler Länder und Regionen des Südens weiterhin durch die Rolle als Rohstoffexporteure geprägt ist. Prof. Dr. Henry Yeung (National University Singapore) hob hervor, dass Theoriebildung aus dem "Globalen Süden" insofern eine Differenz zu gängigen "westlichen" Konzepten darstellen kann, als die bewusste Perspektivierung einen Mehrwert bilden kann und sollte. So hat sich seine eigene bewusste und explizite Sicht auf Globale Produktionsnetzwerke aus "asiatischer Sicht" anders gestaltet, als wenn er ausschließlich dem gängigen anglo-amerikanischen Diskurs gefolgt wäre. Prof. Dr. Andries du Toit (University of the Western Cape) differenzierte die Sicht auf "den Süden" und fragte danach, inwiefern ein "multipolarer Dialog" dem westlichen, oft modernisierungstheoretisch inspirierten Verständnis des Globalen Südens diesem eine neue wissenschaftliche, ideenbezogene und politische Bedeutung geben könnte. 

Weitere Information zu den Aktivitäten des GSSC finden sich unter gssc.uni-koeln.de oder direkt bei den Autoren dieses Beitrags. 
Martina FuchsBoris BraunPeter Dannenberg und Javier Revilla Diez